Hüttentour im Verwall – 5 Tage über Stock und Stein
Nach erfolgreicher Einreichung meiner Doktorarbeit stecke ich aktuell in der Lernphase für die abschließende mündliche Prüfung. Da der Kopf bei viel Input schnell zu rauchen anfängt, kam mir der schon seit Februar geplante Wanderurlaub ganz gelegen. Vom 14. bis 20. Juli waren Kerstin und ich zusammen mit zwei Freunden, Anna und Marcel, im Verwall an der Westflanke Tirols unterwegs. Die Wetterprognose versprach mindestens einen Regentag, sodass ich mir noch eine passende Regenhose kaufte.
Gestartet wurde in St. Christoph bei St. Anton am Arlberg am frühen Samstag Nachmittag. Schon am Anfang zeigte sich die Motivation aller Beteiligten, als wir anstatt der schnellen, einfachen Route, dann doch die längere Variante mit knapp 700 Höhenmetern (HM) nach oben und 360 HM nach unten wählten. Auf der Kaltenberghütte erwartete uns dann das erste Hüttenweizen bzw. Hüttenradler und eine warme Dusche. Das war ein Luxus, wie wir im späteren Verlauf bemerken sollten.
Am nächsten Tag ging es dann weiter zur Konstanzer Hütte im Fasultal auf 1688 m Höhe. Der Tag startete bedeckt, aber als wir beim ersten und einzigen Gipfelkreuz auf der Krachenspitze (2686 m) ankamen und uns den ersten Gipfelschnaps gönnten, klarte das Wetter schon leicht auf und die ersten Sonnenstrahlen brachen durch die Wolkendecke. Nach einer kurzen Regeneinlage zur Mittags pause hieß es dann schnell: Sonne pur! Das machte den langen Abstieg zur Konstanzer Hütte traumhaft schön. Über blühende Almwiesen ging es vorbei an Schafen mit ihren Lämmern und Murmeltieren hier und da. Unser Murmeltier-Highlight waren drei Jungtiere, die nur ca. 15 m von uns entfernt miteinander spielten und rauften, als wären wir gar nicht da. Nach 850 HM nach oben und 1260 HM nach unten kamen wir in der wunderschön gelegenen Hütte an und spurteten direkt in die Dusche, die aufgrund von Renovierungsarbeiten kalt blieb. Und wenn Duschen auf Hütten kalt heißen, dann sind sie auch kalt. Sehr kalt. Mit noch leicht aufgeheiztem Körper ging empfand ich das noch als recht erfrischend, während von den anderen schon der ein oder andere Stöhner zu hören war :). Leider war das restliche Ambiente und auch das Frühstück der Hütte recht lieblos es blieb vor allem die tolle Lage in positiver Erinnerung.
Tag 3 versprach tolles Wetter und eine recht entspannte Tour. Nur 10,5 km mit 950 und 500 HM auf und ab waren zu bewältigen. Das Fasultal zeigte sich von seiner besten Seite: frische grüne Bergwiesen mit unzähligen Blumen und dazu ein rauschender Bergfluss, der sich dazwischen hindurchwand. Ein letzter Anstieg über viel Geröll bei pfeifendem kalten Wind war dann nochmal schweißtreibend und das anschließende Mittagessen nahmen wir an einer windgeschützten Stelle zu uns. Der Abstieg war dann schon etwas knackiger, mit leichten Kletterpassagen für den Extraspaß. So kamen wir schon am frühen Nachmittag an der Friedrichshafener Hütte an (2138 m). Von einer anderen Wandergruppe auf dem Weg hatten wir schon erfahren, dass das Essen super sein soll, aber dafür keine Duschen vorhanden sind. Immerhin gab es dafür einen Badesee! Wenn einige von euch jetzt denken der „Badesee“ hätte angenehme 20 – 25 °C, dann täuscht ihr euch gewaltig. Der „Badesee“ wurde nämlich von einem Gebirgsbach genährt und demenstprechend lag die Temperatur in der Nähe eines Kneipbeckens oder etwas kälter. Die Sonne schien und so dachten sich Marcel, Anna und ich, wir könnten uns ja wenigstens kurz darin einweichen und den Rest der Katzenwäsche im Waschraum erledigen. Und so ging es ohne großes Zögern ab in die eiskalten Fluten! Ein paar Schwimmzüge, kurz auch mal den Kopf unter Wasser, das muss dann aber auch reichen! Wieder raus aus dem Wasser feuerte der Körper aber auch direkt die Heizung an, sodass uns nach der restlichen Wäsche angenehm warm war. Das Essen auf der Friedrichshafener Hütte war auf jeden Fall das Beste auf der ganzen Tour, inklusive des reichhaltigen Frühstücks MIT GEKOCHTEM EI! Neben dem tollen Wetter war das unser Highlight des Morgens.
Bei unserer ursprünglichen Tourenplanung hatten wir leider übersehen, dass auf der Wegstrecke zur Darmstädter Hütte (2384 m) zwei Gletscher zu überqueren waren. Auch der Hüttenwirt riet uns definitiv von dieser Route ab, da dies nur für sehr geübte Bergsteiger mit Gletscherausrüstung wie Steigeisen zu machen sei. Also hieß es für uns den langen Weg drum herum zu gehen. Also den gleichen Weg vom Vortag bis kurz vor der Konstanzer Hütte zurück und dann läppische 1000 HM zum Kuchenjoch (2730 m) nach oben, um dann wieder 400 HM abzusteigen. Macht in Summe 15,5 km mit 1480 HM hoch und 1240 HM nach unten. Interessanterweise war der Aufstieg zum Kuchenjoch recht angenehm zu laufen und ging wie im Flug vorbei. Der letzte Abstieg war definitiv der abenteuerlichste, da man an Stahl- und Kletterseil über scharfe Felskanten klettern musste. Wir wussten schon im Voraus, dass wir auf der Darmstädter Hütte nur ein Notlager vorfinden würden, da schon vor Weihnachten 2017 alle Plätze an diesem Dienstag ausgebucht waren. Dass es aber so überfüllt sein sollte, hatten wir uns nicht ausgemalt. Schon um 15 Uhr war die Hölle los und da waren noch nicht alle Wanderer angekommen. Nachdem wir uns beim Hüttenwirt Andy angemeldet hatten, begaben wir uns direkt in die Duschschlange, die hauptsächlich aus pubertierenden Jugendlichen bestand. Nach einer geschlagenen Stunde des Wartens waren wir dann endlich an der Reihe, die einzige Dusche der ganzen Hütte zu benutzen. Als das geschafft war, ergatterte Kerstin zum Glück mit viel Charme noch Sitzplätze für uns an einem reservierten Tisch, sodass wir nicht stehen mussten! Obwohl wir um 16:30 Uhr dann schon das Abendessen bestellen wollten, waren wir damit erst um 18:30 Uhr dran und bekamen um 19 Uhr unsere Tiroler Knödel serviert. Zwischendurch mussten wir die Zeit mit Schokolade überbrücken, da wir nach dem anstrengenden Marsch am Ende unserer Kraftreserven waren. Die Tortour endete damit aber nicht. Denn erst um 22 Uhr zur Hüttenruhe wurde der Speisesaal gelehrt und damit gleichzeitig der Schlafsaal eröffnet. Die Schlafunterlage: zwei Wolldecken. Die Decken: eine geteilt mit Kerstin, keine für Marcel. Ihr könnt euch vorstellen, wie bequem das war. Zum Glück bin ich dann doch relativ schnell eingeschlafen und einige Male nachts wieder aufgewacht, da mir die Seite wehtat und ich mich auf die andere Seite wälzte. Mitten in der Nacht musste ich dann zudem noch aufstehen und zwei Fenster schließen, die irgendwelche Hirnis aufgemacht hatten und es dadurch bitterkalt im Saal wurde. Die Kälte hielt Marcel dann auch die restliche Nacht vom Schlafen ab. Punkt 6:30 Uhr kam Andy dann gutgelaunt herein und knippste das Licht an, um damit alle herauszuschmeißen. Wir hatten klugerweise schon am Vorabend Lunchpakete organisiert, sodass wir nach einer kurzen Morgentoilette direkt aufbrechen konnten und unser Frühstück an einem Bergbach genossen. Der Kaffee/Tee fehlte leider.
Auch an diesem Tag erwartete uns eine harte Etappe. Von der Darmstädter Hütte ging es über die Niederelbehütte (2310 m) direkt zur Edmund-Graf-Hütte (2375 m) mit insgesamt knapp 17 km Weglänge und 1350 HM hoch und runter. Da wäre eine erholsame Nacht eine bessere Voraussetzung gewesen. Das Wetter war allerdings auf unserer Seite und die Sonne strahlte die meiste Zeit am Himmel. Nach unserer Frühstückspause musste wir dank verfehlter Wegabzweigung den Bach/Fluss noch barfuß durchqueren, da die Strömung stark war und kein geeigneter Übergang auf Steinen zu erkennen war. Nach dem türkisen Moostal Stausee ging es einen steilen Anstieg bis aufs Seßladjoch, von wo wir unsere Mittagspause schon sehen konnten: die Niederelbehütte. Dort um 11:30 Uhr angekommen gab es Kaiserschmarrn für Kerstin und mich, sowie Käsespätzle für Marcel und Anna. Wohlgenährt ging es um 13 Uhr dann weiter auf den vermeintlich einfacheren letzten Streckenabschnitt mit nur 500 HM hoch und runter. Das Essen lag noch schwer im Magen, als wir uns an den letzten Aufstieg des Tages machten und alle dachten, so viel kann das ja jetzt nicht mehr sein. Tja, Pustekuchen! Als wir um die Ecke bogen und die Schmalzgruben Scharte erblickten entgleisten uns allen etwas die Gesichtszüge. In engsten Serpentinen schlängelte sich ein brutal steiler Weg zur Scharte hoch. Das flaue Gefühl im Magen, das ich sowieso vom Kaiserschmarrn noch hatte, wurde dadurch nicht gelindert! Aber es hilft ja nichts, also quälten wir uns langsam, sehr langsam, Schritt für Schritt, die immer enger werdenden Serpentinen hinauf, um oben angekommen erst mal zu verschnaufen. Der letzte Schnaps wurde zur Feier noch vernichtet und es ging weiter zur Edmund-Graf-Hütte. Auf dem Weg machten wir noch an einem Bergsee halt und ließen unsere geschwollenen Füße darin abkühlen. Hoffentlich ist der See dadurch nicht gekippt und völlig veralgt :D. Ein letzter Abstieg und wir waren an unserer letzten Hütte angekommen. Beim abschließenden Bergsteigeressen stießen wir nochmal auf unsere erfolgreiche, wenn auch anstrengende, Tour an und verzogen uns frühzeitig ins Bettenlager. Da ich mein Stativ nicht umsonst dabei gehabt haben wollte, stieg ich um 1:30 Uhr nachts noch einmal aus dem Bett, um Bilder vom Sternenhimmel zu machen. Im Vorfeld hatte ich mich schon erkundigt, dass zu dieser Zeit auch die Milchstraße zu sehen sein sollte und so war es auch. Unglaublich viele Sterne glitzerten am Firmament und ein milchiger Streifen war direkt über meinem Kopf zu sehen. Für fotografische Bestleistungen war die Lage der Milchstraße ungünstig, aber für das erste Mal fand ich das Erlebnis schon nicht schlecht und vor allem live atemberaubend.
Am Donnerstag kamen wir dann letztendlich wieder im Tal an und entspannten noch eine Nacht im 4-Sterne Hotel, inklusive Saunabesuch am Nachmittag. Die Tour war für uns alle ein voller Erfolg und kam uns eher wie eine zweiwöchige Zeitspanne vor, da wir so viel gesehen und erlebt hatten. Wie auch schon unsere Hüttentour im Rätikon 2015 wird auch diese im Verwall nicht unsere letzte gewesen sein.
Noch viel mehr Bilder der Tour findet ihr unter Fotoalben oder direkt über DIESEN LINK.